Sonntag, 15. Februar 2009

Prosit Neujahr of the Ox

Hallöchen,

nun sitze ich hier am Valteninstag ganz alleine in meinem Zimmer und bin ach so traurig.



Meine Mitbewohner sind nach tagelanger Planung zum Dinner ausgeflogen (die Restaurantpreise sind heute Abend im Schnitt 40% höher als sonst), Genevieve hat mir heute morgen aber eine liebe kleine Karte vor mein Portrait gelegt, das gleich am ersten Abend angefertigt wurde (nachdem das meiner Vorgängerin radikal ausgewischt wurde).



Naja, immerhin habe ich so Zeit einen neuen Eintrag zu verfassen. Also los geht’s.

Vor einer Woche waren wir auf dem chinesischen Neujahrsumzug.Da in San Francisco angeblich die größte chinesische Gemeinde außerhalb Chinas lebt gibt’s dementsprechend auch den größten Umzug außerhalb Chinas. Das heißt natürlich nicht, dass das Ganze unamerikanisch abläuft. Die Parade hatte neben jeder Menge mehr oder weniger beeindruckender chinesischen Drachentänzern und Wagen zum Motto des Jahres des Ochsen auch immer wieder Polizeiformationen, Sponsoren und gefühlte vierhundert winkende Politiker auf Mustang-Cabrios zu bieten. Naja, immerhin habe ich so auch schon mal den aktuellen Bürgermeister aus nächster Nähe betrachten können, leider nicht im Bild.
















In den letzten zwei Wochen war ich dann außerdem in der Uni. Der Campus ist riesig und bietet alles, was man zum Leben braucht: Eine Bowlingbahn, ein Fitnesscenter, ein Schwimmbad, eine Mensa mit Subway, Pizzalden, BurgerKing und Sushi To-Go. Aber einfach wesentlich angenehmer, so ein Studieren unter Palmen.





Die Vorlesungen sind sehr interessant, vor allem eine Lehrmethode hat es mir angetan. Jeder Student trägt so eine kleine Fernbedienung mit sich rum. Der Dozent stellt dann in der Vorlesung fragen, zum Beispiel: „Welche Zeitungen lest ihr?“ In der Powerpointpräsentation stehen dann verschieden Auswahlmöglichkeiten wie „Regionale“, „Landesweite“, „Internationale“, „Online“, „Gar keine“ etc. Die Studenten drücken dann Wer Wird Millionär-like auf A B oder C und ruckzuck erscheint ein Balkendiagramm auf der Leinwand. Das ganze dauert zwar schon mal 20 Minuten bis alles richtig funktioniert, aber immerhin muss keiner mehr den Arm heben und man kann auch direkt nachgucken, wer was gesagt hat. Darauf folgt dann eine Diskussion bzw. die Auswertung des Tests, der so durchgeführt wird.

Ich habe mich nun für den Kurs entschieden, in dem immer nur anhand dieser Klicker-Methode gelehrt bzw. diskutiert wird. Außerdem arbeite ich in der Organisation des Ciequest-Filmfestivals mit und habe einen Kurs bei der uns betreuenden Professorin belegt. Deren Vorlesung ist deutlich anspruchsvoller aber sehr unterhaltsam. In der Diskussion um das amerikanische Mediensystem habe ich zum Beispiel gelernt, dass nicht der amerikanische Präsident das wichtigste Organ der Welt ist, sondern die amerikanischen Menschen, die etwas verändern können und das gerade auf wunderbare Weise getan haben – bis darauf dass Obama keine Frau ist, ist nun alles perfekt, aber wir befinden und halt noch in der „penis-generation“. Gut zu wissen!
Leider sind Andrea und ich bereits mehrfach als Fremde aufgefallen. Eine Studentin erklärte uns auf Nachfragen, wir seien einfach „way to cool“ für diese Uni. Ich werde mir nächste Woche dementsprechend eine graue Trainingshose mit eigesticktem „SJSU“ besorgen und meine schöne Lederjacke gegen das alte Fleece tauschen, dann passt das schon.

Ansonsten neben den zwei Unitagen diese Woche habe ich die ein oder andere Touri-Attraktion abgeklappert, bin Cablecar gefahren, war in einem riesigen chicken Kaufhaus mit Wendelrolltreppen und so, das musste langsam alles mal sein.





Vorgestern war dann für ein paar Stunden der Strom weg. Das gleiche war am Abend vorher bei Andrea passiert, also hakte ich bei meinem Mitbewohner nach, ob das hier häufiger vorkommt. Was weiß ich, Halbinsel, Plattentektonik, Überlandleitungen – das kann doch sein. Er beruhigte mich dann aber: „Actually California is not that much like Mogadishu, so we do have a solid Powersystem.“ Ups, war ja nicht böse gemeint.

Ansonsten gehts aber alles sehr gut.
Bis bald!

Felix

Freitag, 6. Februar 2009

Angekommen

Hallo zusammen,

ich habe mich nun doch entschlossen hier diesen Blog zu starten und lege deshalb direkt mal los, bevor ich schon wieder alles vergessen habe.

Nachdem sich unsere Abreise durch das Schneechaos in London um einen Tag verzögert hatte (ohne Andreas Einsatz wären es vier Tage geworden), starteten wir am Dienstag von Düsseldorf.
Den Flug brachten wir eingekeilt in eine Gruppe hanseatischer Motorradfreaks ziemlich gut hinter uns und konnten dabei doch die meiste Zeit ausgestreckt in einer eigenen Sitzreihe liegen oder die Aussicht aus dem meistens unbedeckten Himmel auf die Landschaft unter uns genießen.

Eine halbe Stunde nach der Landung saßen wir schon im Taxi Richtung Downtown San Francisco und bald darauf im Hotel. Meine Planung sah eigentlich vor, dass ich mich an diesem Abend (es waren so 17 Uhr und ich etwa 20 Stunden wach) nur noch im Hotel ausruhe und am nächsten Tag auf Erkundungs- und Wohnungssuchtour gehe. Andrea hatte allerdings schon 3 Termine für den ersten Abend ausgemacht und ich entschied mich mitzukommen. Während ich noch meine Mails checkte und nach der Telefonnummer für meine Favoritenwohnung recherchierte ergab sich dann über verwirrende Verstrickungen nach London doch auch noch ein Termin für mich, der sich geschickt mit Andreas Terminen kombinieren ließ. Also ab ins Taxi und los.
Nach Andreas erster Besichtigung fuhren wir zu meinem Termin im Viertel Haight Ashbury. Nach etwa einer Viertelstunde Gespräch verließ ich das Haus mit einem sehr guten Gefühl und etwa 10 Minuten später klingelte das Handy und ich hatte das Zimmer und konnte am nächsten Morgen einziehen. Unglaubliches Glück, denn Andrea sollte noch bis Samstag über 10 Wohnungen ansehen müssen, bis sie eine gefunden hatte. Zudem ist meine Wohnung aufgrund glücklicher Umstände für hiesige Verhältnisse recht günstig (und immer noch mehr als doppelt so teuer wie in Hannover) und meine Mitbewohner unschlagbar nett und hilfsbereit.



Seitdem wohne ich also am Ausgangspunkt und dem Zentrum der Hippiebewegung der 60er Jahre direkt an der Kreuzung Haight St und Ashbury St. Das Haus nebenan wurde einst von Janis Joplin bewohnt, Greatful Dead waren schräg gegenüber zu Gange und aus dem Fenster kann ich auf ein Appartement schauen, in dem Jimi Hendrix mal gelebt hat.
Heute ist die Gegend zum einen touristisch natürlich sehr beliebt, zum anderen aber eigentlich immer noch ein Sammelbecken für alle schrägen Vögel. Es ist im Prinzip das Viertel, das die Klischees von San Francisco am meisten erfüllt (mit Ausnahme der Homosexuellenkultur, die sich ein paar Meilen weiter im Stadtteil Castro abspielt). Dort steht dann auch alles im Zeichen des Regenbogens:





Die Häuser hier bei mir sind alle im Viktorianischen Stil gebaut und wurden einst von der höheren Mittelschicht bewohnt. Als sich die Stadt weiter ausbreitete zogen diese wohlhabenden Menschen in die Vorstadt und die Einfamilienhäuser wurden in Wohnungen unterteilt. Zunächst ließ man hier Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg ihre Traumata bewältigen, bevor sich dann die Hippies der Gebäude bemächtigten.



Heute scheint das Viertel aufgrund seiner Tradition eher etwas hipper zu werden. Vor allem die Haight St. ist durchzogen von vielen Läden, die ausgefallenene Mode anbieten, Secondhandläden und diverser kleiner Klamotten- und Plattenläden.









Trotz dieser Wntwicklung kann man wirklich immer noch sehr viele „sehenswerte“ Leute beobachten. Das reicht von einbeinigen Punkern über apatisch Dreinschauenden Eisverkäufern mit Batik-Tshirt und Propellorkappe bis hin zu Transvestiten und komplett in Lack gekleideten Omas. Außerdem gibt es recht viele Obdachlose hier oder allgemein Menschen die Betteln. Die haben dann in der Regel Schilder auf denen steht "Cops stole my wheed" oder "Save all my money for handgranate and a hooker so I can say I have one".



Neulich überholte mich morgens ein Jogger um dann 10 Meter weiter röchelnd über einer Parkuhr zu kollabieren. Als ich auf seiner Höhe war rappelte er sich wieder auf, zog geifernd an einer Zigarette und lief mit dieser im Mund locker weiter.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass das alles inszeniert ist, aber es macht einfach Spass hier durch die Gegend zu laufen und nur die Augen offen zu halten.

Melde mich bald wieder mit ersten Eindrücken aus der Uni und von der größten chinesischen Neujahrsparade außerhalb Chinas.

Felix

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